Speisegerste

Von Speisegersten, Tsampa, Giotta und Gofio

Von allen Getreiden hat die Gerste als eines der ältesten Getreide die weiteste geographische Verbreitung erreicht. In gemäßigten, maritimen Klimaten wird sie teilweise bereits im Herbst als Wintergerste ausgesät und erst nach ca. 300 Tagen geerntet. Sie kann am Rande von Trockengebieten wie in Äthiopien und Vorderasien gedeihen, und in Tibet sogar auf einer Höhe von bis zu 4000m, wo sie bereits nach 60 Tagen reif ist. Dabei handelt es sich um jeweils völlig verschiedene Sorten, die sich am jeweiligen Ort -und meist nur dort- optimal entwickeln. Vielfältig wie die Standorte sind auch die Form- und Farberscheinungen, die sich an den Gersten unterschiedlicher Herkunft beobachten lassen.

Je nach Kulturkreis haben sich verschiedene Schwerpunkte in der Verwendung der Gerste herausgebildet. Am bekanntesten ist sicher die Verwendung zur Bierherstellung. Auch Whisky wird bevorzugt aus Gerstenmalz hergestellt. Aus intensiver geröstetem Gerstenmalz wird Malzkaffee zubereitet. Sehr umfangreich ist der Anbau der Gerste zur Fütterung der Schweine. Die Verwendung in der Ernährung scheint daneben vergessen worden zu sein. Vielleicht lag es nur daran, dass es über lange Zeiten keine Bemühungen gab, Gersten für Speisezwecke züchterisch zu bearbeiten. Für die zuvor genannten Verwendungszwecke wird nämlich fast ausschließlich Spelzgerste verwendet, hingegen sind für Speisezwecke die spelzenfreidreschenden Nacktgersten als geeigneter anzusehen. Für eine hervorragende Speisegerste bedarf es aber noch weiterer Eigenschaften, von denen der Geschmack letztendlich ausschlaggebend sein wird - sofern man die Gerste auch zuzubereiten weiß! Ganz bewusst widmen sich die nachfolgenden Informationen der Vielfalt der Gerste unter dem Blickwinkel ihrer Verwendung zur Speise und für den ökologischen Anbau. Nehmen Sie sich Zeit. Vielleicht entdecken Sie dabei etwas von der wesensgemäßen Eigenart der Gerste und finden Gefallen an der besonderen Art ihrer Verwendung.

Zusammen mit dem Einkorn gehört die Gerste zum ältesten Kulturgetreide. Es wird heute davon ausgegangen, dass die Kulturgerste im Gebiet des "Fruchtbaren Halbmondes" aus der zweizeiligen Wildgerste Hordeum vulgare L. ssp. spontaneum (C.Koch)Thell. hervorgegangen ist, und dass die Kultivierung vor ca. 10.000 Jahren begann (KÖRBER-GROHNE 1985). Die sechszeiligen Gersten sind nach heutiger Ansicht erst ein halbes Jahrtausend später aufgrund einer einfachen spontanen Mutation entstanden. Vermutlich hat die Anpassung an die Kulturbedingungen mehrfach an sehr vielen Orten stattgefunden. Die spelzenfreien Gersten traten nachweislich erst ein weiteres Jahrtausend später auf. In Deutschland sind sie bereits in den ältesten Funden aus der Jungsteinzeit (vor ca. 7000 Jahren) zusammen mit bespelzten Formen nachweisbar (KÖRBER-GROHNE 1985). Schon früh reduzierte sich auf den fruchtbareren Böden der Anteil der Gerste zugunsten der weizenartigen Getreide. Die Gerste eroberte vor allem die weniger fruchtbaren Böden, Höhenlagen und Standorte mit einer kürzeren Vegetationszeit.

Der "Fruchtbare Halbmond" umfasst Zentral-Israel, Palestina, West-Jordanien, Libanon, Syrien, die Südwest-Türkei, Nordirak und das Zagrosgebirge im Westen des Iran. In dieser Region begann der Mensch erstmals mit der Bearbeitung der Erde zum Anbau von Nahrungspflanzen. Gerste, Einkorn, Emmer, Flachs (Lein) und Linsen haben hier ihren Ursprung als Kulturpflanzen.

Zunächst verbreitete sich die Gerste über alle Siedlungsgebiete Westeurasiens und Nordafrikas. Schon vor 8.000 Jahren erreichte sie Griechenland, den Iran und Indien. Wahrscheinlich verbreitete sie sich schon zu dieser Zeit entlang der Nordküste Afrikas und den Nil hinauf nach Eritrea und Äthiopien. Die ältesten Funde Spaniens weisen auf eine Zeit vor ca. 7.000 Jahren und vermutlich vor ca. 6.000 Jahren erreichte der Gerstenanbau Südskandinavien. In China wurde die Gerste erst vor ca. 3.000 Jahren eingeführt. Von dort gelangte sie nach Korea und Japan. Spanische Siedler waren die ersten, die vor ca. 500 Jahren ihre Gerste nach Mittel- und Südamerika brachten, wo sie ihren Weg in die Bergländer fand. Ebenfalls spanische Siedler führten nordafrikanische Gerste nach Kalifornien ein. Mit der Auswanderungswelle nach Nordamerika vor ca. 200 Jahren gelangten verschiedene europäische Gerstensorten in den Norden des amerikanischen Kontinents. Sie bildeten die Basis für die Braugersten, die in den USA und in Kanada angebaut werden. Erst vor ca. 100 Jahren begann sich der Gerstenanbau in Australien auszudehnen, der auf zweizeilige Gersten aus England zurückgeführt werden kann (BOTHMER et al. 2003).

Die weite Verbreitung der Gerste in Verbindung mit langen Zeiten der regionalen Anpassung hat dazu geführt, dass sich die verschiedensten Besonderheiten herausgebildet haben. Den meisten Menschen im deutschsprachigen Raum erscheinen die langen Grannen als charakteristisches Merkmal der Gerste. Von allen Getreidearten können die Gersten mit Abstand die längsten Grannen aufweisen (s.Abb. links, Gersten mit unterschiedlich langen Grannen). Aber es gibt auch Gersten mit sehr kurzen oder ganz ohne Grannen, die im ostasiatischen Raum vorherrschend sind. Andererseits können auch Weizen, Dinkel, Emmer, Einkorn und Roggen mit mehr oder weniger langen Grannen aufwarten. An den Grannen allein lässt sich die Gerste also noch nicht sicher erkennen. 

Der Botaniker unterscheidet die Gerste beispielsweise anhand des Blütenstandes, also dem Aufbau der Ähre und an den charakteristischen Blattöhrchen am Übergang von der Blattscheide zur Blattspreite (s. Abb. rechts). Sie können violett sein, haben meistens aber eine Farbe zwischen weiß und rosa.

Zwei- oder Sechszeiligkeit

Die Unterscheidung in Zweizeiligkeit oder Sechszeiligkeit ergibt sich aus der Anzahl von Kornreihen an einer Ähre. Bei der Zweizeiligkeit stehen sich zwei Kornreihen gegenüber, denn an jedem Spindelglied der Ähre sitzt nur ein Korn. Genau besehen findet sich aber rechts und links dieses Korns jeweils ein mehr oder weniger deutlich ausgeprägtes Blütchen, das aber meist unvollständig, klein und steril bleibt. Sofern diese unscheinbaren Ansätze jedoch zu vollständigen Blütchen mit umhüllenden Spelzen auswachsen, entstehen rechts und links des mittleren Samenkorns weitere Samenkörner, die zusätzliche Samenreihen bilden. Auf diese Weise entsteht die Sechszeiligkeit. Die auf den ersten Blick vorteilhafte, größere Samenmenge sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine zweizeiligen Gerste größere und gleichmäßigere Samen bildet. Die daraus hervorgehenden Pflanzen bilden mehr ährentragende Halme, sodass eine zweizeilige Gerste auf der gleichen Anbaufläche mehr und schöneres Korn bilden kann.




Nur unter Bedingungen, die der Ausbildung vieler Halme abträglich sind, wie z.B. eine sehr kurze Vegetationszeit oder sehr trockene Anbaubedingungen, erweist sich die Sechszeiligkeit als potentiell ertragreicher. Die spezielle Art, wie an einem Spindelglied eine Einzelblüte mit mehr oder weniger deutlich ausgebildeten Seitenblüten als Triplet-Form vorkommt, ist charakteristisch für den Blütenstand der Gerste.

Die Samen (beim Getreide botanisch: Karyopsen) können von Spelzen umhüllt oder spelzenfrei sein. Auch ein spelzenfreies Korn entwickelte sich zwischen Spelzen, die jedoch beim Drusch vom Korn abfallen, weil zwischen Spelze und äußerer Samenhaut (Pericarp) keine verbindende, zementartige Zwischenschicht ausgebildet wurde. Vollständig aus den Spelzen herauslösen können sich die Körner beim Drusch aber nur, wenn eine möglichst ausgeprägte Verwachsung der Spelzen mit der Ährenspindel vorliegt. Solche spelzenfreidreschenden Gersten lassen sich in Europa bereits in den frühesten Ausgrabungen nachweisen. Aber nur in Graubünden/CH haben sich die spelzenfreien Gersten zu Speisezwecken bis in unsere Zeit erhalten. Das ist bemerkenswert, denn über die Erde hinweg gesehen, finden sich diese spelzenfreien Gersten insbesondere dort im Anbau, wo sich die weizenartigen Getreide aufgrund der klimatischen Bedingungen oder wegen magerer oder salziger Böden nicht so gut anbauen lassen. Die spelzenfreien Gersten dienen in diesen Regionen in erster Linie der Ernährung. Besonders Äthiopien verfügt über eine Vielzahl dieser Nacktgersten und auch Tibet, Nepal, China, Korea und Japan.

Für eine Verwendung der Gerste zum Bierbrauen ist die Verwachsung der Spelzen mit der äußeren Samenhaut und eine leichte Abbruchneigung der von Spelzen umhüllten Körner von der Ährenspindel erwünscht, weil die Spelzen während des Brauvorgangs eine Filterwirkung ausüben sollen. Zum Verzehr solcher Brau- oder Spelzgersten müssen die Spelzen abgeschält werden. Bei diesem Schälvorgang gehen wertvolle Randschichten des Getreidekorns ganz oder teilweise verloren (letzteres führt zu einem schnelleren Verderb) oder es verbleiben noch Spelzenreste in der Kornfurche, die keiner gerne verspeisen möchte. Bei den spelzenfreidreschenden Gersten kann das ganze Korn in seiner Vollwertigkeit zur weiteren Verarbeitung verwendet werden.

Faszinierend ist die Farbpalette der Gerste. Normalerweise erscheinen uns die Spelzen in strohgelber Farbe, aber es gibt auch Gersten mit schwarzen Spelzen. Gefärbte Ähren sind besonders in Ost-Afrika verbreitet. Die Körner, vom Spelz befreit, haben bei den meisten bespelzten Gersten an ihrer Oberfläche eine graublaue und bei den meisten spelzenfreien Gersten eine beigegelbe Färbung. Daneben gibt es aber auch solche mit roter, violetter und schwarzer Färbung. Gerade bei den äthiopischen und tibetischen Gersten findet sich eine Vielfalt der Färbungen. Wenn die Gerste vor dem Verzehr geröstet wird, wie in Tibet, verschwinden mit der Bräunung auch die Farben.

Wo von der Gerste Grütze oder Mehl gewonnen wurde, wie in der Schweiz und in Japan, haben sich überwiegend die hellen Farben durchgesetzt.
Auch in der Kornform gibt es Unterschiede von klein und fast kugelrund bis lang-oval mit Zipfeln an den beiden Enden. Im Vergleich mit Weizen und Roggen wird die Charakteristik des Gerstenkorns in der Verbindung von rundlichem Korn mit spannungsvollem Übergang in die spitzen Kornenden besonders deutlich (s.Abb. rechts).

Werden Gerstenkörner verschiedener Sorten zur Aussaat gebracht, erscheinen die jungen Keimlinge auf den ersten Blick fast alle gleich. Doch auch hier gibt es Unterschiede, zum Beispiel beim Vergleich der Keimwurzeln. Bei Zwerggersten beispielsweise, die in Japan über die frostfreien Wintermonate auf den im Sommer mit Reis bestellten sehr feuchten Böden angebaut werden, zeigen die Keimwurzeln vor dem Erscheinen der Keimblätter ein überproportionales Längenwachstum (s.nächste Abb.).

Im Verlauf des weiteren Wachstums können bei sehr verschiedenen Sorten und Herkünften auch mehr und mehr Unterschiede sichtbar werden. Es finden sich Pflanzen, die ein helleres oder dunkleres Grün aufweisen, mehr gelblich oder rötlich verfärbt und solche mit einer ausgeprägten Wachsschicht. Pflanzen, die ein dichtes, dunkles Grün aufweisen, können kühlere Temperaturen meist leichter ertragen. Eine rötliche Verfärbung durch den Pflanzenfarbstoff Anthocyan kann durch Trockenheit und Kälte zusätzlich gefördert werden. Sind in den Blättern mehr Carotinoide (Gelbpigmente) enthalten, was bei Gersten aus Höhenlagen häufiger der Fall sein kann, dann wird das Grün der Blätter etwas frischer. Ausgeprägte Wachsschichten kommen insbesondere auf den Blättern von Gersten extrem trockener Herkunftsregionen vor. Auch besonders schmale Blätter sind für extrem trockene Anbausituationen charakteristisch. Die Gersten mit den wohl breitesten Blättern stammen demgegenüber aus der Mongolei, von wo auch die Gersten mit der höchsten Frostverträglichkeit kommen. 

Im ökologischen Anbau hat der Wuchstyp eine grosse Bedeutung für das sorteneigene Beikrautregulierungsvermögen durch Beschattung. Insbesondere in der Zeit bis zum Schoßbeginn entscheidet die Wüchsigkeit der Gerste darüber, ob das Ackerwildkrautaufkommen erfreulich oder bedrohlich wird. Gersten mit hoch-weit-überhängendem Blatt können den Boden zwischen den Saatreihen besser beschatten (nächste Abb.: linke Gerste beschattet besser).

Sind die verschiedenen Gersten ausgewachsen, finden sich die für unser Verständnis wohl eigenartigsten Formen bei den japanischen Herkünften, die kurz und stämmig sind und nicht einmal 40cm hoch werden (s. Abb. rechts). Diese Formen bilden auch die kleinsten und rundlichsten Körner aus. Demgegenüber können alte nordeuropäische Landsorten bis zu 140cm Höhe erreichen.
Mit dem Erscheinen der Ähren vervielfältigen sich die Unterschiede noch einmal beträchtlich. Global gesehen ist die zweizeilige, lang begrannte Gerste ein Sonderfall. Die ursprünglich kälteempfindlicheren zweizeiligen Gersten kamen in den ausgesprochenen Hochländern und in den nordischen Gerstenanbaugebieten generell nicht vor.

Besonders häufig fanden sich die zweizeiligen Gersten in Ost-Afrika. Die sechszeiligen Gersten sind weltweit weitaus mehr verbreitet und kommen in Ostasien häufig mit kurzen oder ganz ohne Grannen vor. In Japan etablierte sich die zweizeilige Gerste erst vor ca. 100 Jahren. Neben den typischen zwei- und sechszeiligen Gersten gibt es alle Übergänge in der Ausbildung der beiden seitlichen Blüten eines Triple-Ährchens. Von nicht vorhanden über eine Spelze in Ansätzen bei den zweizeiligen Gersten, über eine Blüte, die verkümmert, oder nur ein schmächtiges Korn ausbildet, bis hin zur vollständigen Ausprägung als sechszeilige Gerste können alle Übergänge auftreten.

Eine Besonderheit sind die Kapuzengersten, die in Nepal, Tibet und der Mongolei beheimatet sind. Diese Regionen weisen hohe tägliche Temperaturschwankungen auf. Bei den dortigen Gersten ist die Granne zu einer „Kapuze“ umgebildet, in deren Spitze zum Zeitpunkt des Ährenschiebens die Anlage zu einer weiteren Blüte gefunden werden kann. In dieser kleinen Hülle kann sich aber kein Korn bilden.

Auch Gersten mit breiten Grannen, die sich in drei Spitzen auffächern, oder mit Grannen die ganz glatt sind im Gegensatz zu den mit vielen Widerhaken besetzten, lassen sich finden. Formen ohne Grannen, wie bei vielen ostasiatischen sechszeiligen Herkünften, gibt es auch als zweizeilige Varianten aus Äthiopien (s. Abb. links).
Besonders gedrungene Ähren (s. Abb. rechts) finden sich in Japan und China, aber teilweise auch in Afghanistan, Syrien und Israel. Das Auftreten dieser Formen geht mit trockenfallenden, dichtsetzenden Böden und warmen Klimaten einher.

Die Vielfalt der Grannenbildungen bei der Gersten ist faszinierend, aber dass Gersten diese ausserordentlich langen Grannen bilden können, die wie auf ein Ziel in weiter Ferne genau ausgerichtet zu sein scheinen, beeindruckt besonders. Damit eine solche Bildung zustande kommt, müssen zwei Bildekräfte zusammenwirken, die zueinander gegensätzlich sind. Eine leicht plastizierbare Wüchsigkeit, also ein vegetatives Teilungswachstum, muss mit einer ausgeprägten Gestaltbildung, also einem Reifevorgang, auf eine Weise zusammen wirken, dass die Spannung zwischen diesen beiden Polen möglichst lange erhalten bleibt, bevor die Reifung das Wachstum vollständig zur Ruhe bringt. Dazu gehört eine starke Wachstumsdynamik. Nicht zuletzt hat die Gerste ihre Anbaubedeutung insbesondere in den Übergangsbereichen des Getreideanbaus zwischen den besonders fruchtbaren Standorten, auf denen Mais, Weizen und Reis vorherrschen, und den extrem einseitigen Standorten, auf denen beispielsweise nur noch bestimmte Hirsearten gedeihen. Je nachdem in welche Bedingungen sich die Gerste eingefunden hat, ist das Gleichgewicht zwischen den Gegensätzen Wüchsigkeit und Durchformung in die eine oder andere Richtung verschoben, mehr oder weniger angepasst an die vorherrschenden Bedingungen. Das Verhältnis der Gegensätze zueinander ist auch davon abhängig, wie der Mensch durch Anbaumaßnahmen und züchterische Selektion das Zusammenspiel fördert.

Dynamik und Spannkraft sind für mich die besten Begriffe, um die Eigenart der Gerste unter den Getreiden zu charakterisieren. Wer mit der Eigenart der Gerste einmal vertraut ist, der wird sie als Nahrungsmittel ganz besonders schätzen.
Karl-Josef Müller


Literaturnachweis

Bothmer, R. et al. (2003): Diversity in barley. Amsterdam/NL:Elsevier, 280p, ISBN:0-444-505857.
Körber-Grohne, H.(1985): Nutzpflanzen in Deutschland. Hamburg: Nikol Verlagsgesellschaft.
Müller, K.J. (1998): Erweiternde Kriterien für die Züchtung von Sommerspeisegerste im Organischen Landbau. Berlin: Köster, ISBN 3-89574-303-8. 

Wachstum und Formbildung durchdringen sich bei der Gerste auf eine spannungsvoll sensible Weise. Entsprechend sensibel muss unter mitteleuropäisch humiden Klimaverhältnissen auch der ökologische Anbau auf die Eigenart der Gerste ausgerichtet werden. Eine allzu triebige Düngung kann die Durchformung der Gerstensubstanz erschweren. Die Vielfalt der möglichen Pilzkrankheiten macht das empfindliche Spannungsfeld auf dem Entwicklungsweg der Gerste zwischen Wachsen und Reifen besonders deutlich. Die Gerste sollte daher in der Fruchtfolge nicht unmittelbar auf eine Leguminosenvorfrucht oder eine mit triebigem Mist gedüngte Kultur folgen. Günstigerweise wird sie im zweiten oder dritten Jahr danach angebaut. Ein lockeres Saatbett und eine mitteltiefe Ablage kommen der Sommerspeisenacktgerste besonders entgegen. Bei allzu flacher Saat muss auf kleinen Flächen mit erheblichem Vogelfrass gerechnet werden, denn auch Vögeln schmeckt die Gerste ohne Spelz besser.

Die sonst für Spelzgerste übliche Saatstärke kann bei nicht ganz günstigen Saatbedingungen für Nacktgerste um 10-15% erhöht werden (also beispielsweise von 350 auf 400 keimfähige Körner pro m²). Bis zum Schossen entscheiden Blätter und Wüchsigkeit einer Gerstensorte darüber, ob Ackerwildkraut als ökologisch willkommenes Beikraut oder die Ausbeute beeinträchtigendes Unkraut erlebt wird. Sofern verschiedene Sorten zur Auswahl stehen, sollte auf wüchsigeren Standorten den höher bestockenden Formen mit lang-schmalen Blättern der Vorzug gegeben werden, auf den etwas mageren Standorten haben die Formen mit breiteren Blättern und höherem Wuchs ein besseres Beikrautbeschattungsvermögen.

Für Speisenacktgersten ist die Einstellung des Mähdreschers besonders zu beachten. Bei einer hochwertigen Speisegerste sollten die Körner beim Drusch bereits aus den Spelzen herausfallen. Bei einer zweizeiligen Speisegerste muss der Dreschkorbabstand also so eng wie möglich eingestellt werden. Ohne Spelzen sind die Samen gegenüber einer mechanischen Beanspruchung natürlich weniger geschützt, dafür muss aber auch nicht wie bei den Spelzgersten gewährleistet werden, dass die mit den Spelzen verbundenen Grannen vollständig abbrechen. Die Dreschtrommeldrehzahl ist deshalb um ein Drittel bis die Hälfte niedriger einzustellen als für Spelzgersten. Auf diese Weise kann die Gerste unbeschadet und mit einer hohen Keimfähigkeit geerntet werden. Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass die Gerste rechtzeitig geerntet wird, bevor sie bei feuchter Witterung bereits auf dem Halm wieder zu keimen beginnt.

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Zuletzt aktualisiert : 27.04.2006

Für die Verwendung zu Speisezwecken sind die gerstentypischen Eigenschaften von besonderem Interesse. Hinsichtlich der Viskosität oder Klebrigkeit des Mehlkörpers hat die Gerste unter den Getreiden Herausragendes zu bieten. Die Stärke der Gerste kann einen sehr hohen Grad der Vernetzung erreichen, zeigt dadurch eine sehr hohe Viskosität bei Erwärmung als Brei und kann auch viel Wasser binden. Aufgrund der schleimbildenden Eigenschaft ist die Gerste als diätetisches Nahrungsmittel bei Magen-Darm-Krankheiten zu empfehlen.

Zwischen den Gersten verschiedenster Herkunft können bezüglich der Verkleisterungseigenschaften grosse Unterschiede gefunden werden, die bei der Züchtung zu berücksichtigen sind. Intensität und Charakter der Viskosität hängen auch davon ab, ob das Korn vollständig ausgereift ist oder schon wieder dazu neigt auszuwachsen. Mit der Keimung wird die Stärke zu Zuckern abgebaut und lässt dabei in der Verkleisterung mehr oder weniger nach. Die Stärke selbst wird nach langkettigen, spiraligen Molekülen -der Amylose- und komplex verzweigten Molekülen -dem Amylopektin- unterschieden. Normalerweise enthält die Gerste ca. 20-30% der Stärke in Form von Amylose. In Japan werden daneben traditionell auch besondere amylopektinreiche Klebgersten verwendet, die mit weniger als 5% Amylose schon bei einer geringeren Temperatur schnell verkleben und noch dazu einen sehr milden Geschmack aufweisen (siehe dazu nachfolgende Abbildung aus der Untersuchung mit einem Rapid Visco Analyzer). 

Die löslichen Ballaststoffe, als deren Repräsentant bei der Gerste das beta-Glucan besondere Beachtung gefunden hat, können die Viskosität zusätzlich erhöhen. Diese ebenfalls aus Zuckern aufgebauten Moleküle mit einer anderen Raumstruktur als die Stärke -wodurch sie von den Verdauungsenzymen nicht aufgeschlossen werden können- binden bis zum 40-fachen ihres Eigengewichtes an Wasser und quellen dementsprechend auf. Dies benötigt auch etwas mehr Zeit als bei der Stärke. In der menschlichen Verdauung binden sie beispielsweise die Gallensäuren, entziehen diese dadurch dem enterohepathischen Kreislauf, auf dem sie über die Pfortader wieder der Leber zugeführt werden. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, dass der Blutcholesterinspiegel abgesenkt wird.
Die löslichen Ballaststoffe binden aber nicht nur Gallensäuren, sondern auch andere Verdauungssäfte und Mineralstoffe, weshalb sie in der Hühner- und Schweinefütterung als Verdauungshemmer nicht gerne gesehen sind. Erst im Dickdarm wird das ß-Glucan durch Mikroorganismen aufgeschlossen und kann dabei auch die Gasbildung erhöhen. Es spricht also manches für diese Substanzgruppe in der Ernährung, aber auch manches dagegen. Der ß-Glucangehalt sollte demzufolge nicht überbewertet werden. ß-Glucanreiche Gersten sind nur für Spezialprodukte von besonderem Interesse. Die derzeit verfügbaren Sorten weisen durchschnittliche ß-Glucan-Gehalte von ca.3% auf. In der Getreidezüchtungsforschung Darzau sind aber auch besonders ß-glucanreiche Speisegersten in der Entwicklung, die im Einzelfall Gehalte von 8-9% ß-Glucan aufweisen.

Die Viskosität wird also sowohl vom Anteil an löslichen Ballaststoffen und von der Zusammensetzung der Stärke hinsichtlich Amylopektin-Amylose-Verhältnis beeinflußt, als auch von der Aktivität der stärkespaltenden Enzyme (Amylasen) während der Ausreifung der Körner auf dem Halm und bei bereits einsetzenden Keimungsvorgängen. 

Auf der Suche nach einem umfassenderen Verständnis der Substanzeigenschaften von Gerstenkörnern wurde auch die Untersuchung mit dem Chroma-Test vorangetrieben (MÜLLER 1998). Beim diesem Test werden Gerstenkörner gemahlen und mit einer schwachen Lauge aufgeschlossen. Anschließend wird diese Lösung in einem mit Silbernitrat vorbehandelten Rundfilterpapier zur Ausbreitung gebracht. Bei den Untersuchungen konnten Gerstenkorn-Zustandsformen mit dem Entwicklungsverlauf der Samenbildung und Keimung in Beziehung gesetzt und dementsprechend charakterisiert werden (obere Bildreihe in der Abbildung). Hat man erst einmal Standardvergleichsbilder erstellt, dann kann mit dem Test festgestellt werden, ob sich das geerntete Korn seinen Lebensvorgängen nach zuletzt in der Phase des Reifens befand oder bereits auf die Keimung ausgerichtet hat (Beispiele in unterer Bildreihe). Auf diese Weise ist es möglich solche Sorten ausfindig zu machen, die zum üblichen Erntezeitpunkt die volle Reife erreichen, für eine gewisse Zeit bewahren und erst allmählich wieder in die Keimungsvorgänge hinübergleiten. Selbstverständlich kann durch nachträgliches Wässern und Erhitzen der Samenkörner in der weiteren Verarbeitung der bestehende Zustand noch weiter modifiziert werden, um die Verdaulichkeit zu beeinflussen. Allerdings nimmt dadurch die Viskosität der Stärke wieder ab.

Nationale und internationale Produktbeispiele

Auch das spelzenfreie Korn wird noch von einer feinen Samenhaut umgeben, die beim Verzehr von Vollkornprodukten je nach Zerkleinerungsgrad mit gegessen wird. Um dieses feine, holzfaserreiche Häutchen zu entfernen und nicht in erster Linie um das Getreide zu zerkleinern, war in fast allen auf Getreideernährung basierenden Kulturen das Stampfen des Getreides mit ein klein wenig Wasser üblich. Bei diesem Reiben der feuchten Körner aneinander löst sich das Häutchen ab und kann im trockenen Zustand dann weggeblasen werden (GAMERITH 1958). Vor rund hundert Jahren entwickelte Stefan Steinmetz ein müllereitechnisches Verfahren mit dem dieser Vorgang im größeren Maßstab durchgeführt werden kann.

Um Spelzgersten für die Ernährung verwenden zu können, hat man schon vor ca. 200 Jahren die industriell hergestellte Rollgerste erfunden, bei der die Gerste zwischen einer horizontalen Walze, die in ein größeres Rohr geschoben ist, gerollt wird, bis die Spelzen, aber auch der größte Teil der wertvollen Randschichten des Korns abgeschmirgelt sind. Am Ende hat man ein weißes Stärkekügelchen, die Graupe. Weitere Verfahren der Getreideaufbereitung, die sich in den verschiedensten Kulturen entwickelt haben, sind das Anquellen und Rösten des Getreides. Dabei erfolgt die Kombination von Wasser und Feuer in unterschiedlicher Weise. Allen Verfahren gemeinsam ist das Ziel, die Bekömmlichkeit und Verdaulichkeit der Getreidestärke zu verbessern. Moderne Produktbeispiele sind das Kornfix, bei dem die Gerste leicht geröstet wird, und die TAU-Gerste, bei der zunächst das Getreidekorn mit Wasser etwas gequollen und anschließend leicht geröstet wird. Wird das Quellen bis zum Keimen der Gerste weitergeführt und anschließend auch das Rösten intensiver durchgeführt, erhält man den Malzkaffee, der besonders in Italien als Cafe d'Orzo beliebt ist.

Von Speisegersten, Tsampa, Giotta und Gofio

Tsampa, das traditionelle Getreidegericht Tibets, wird aus sonnengereifter Gerste hergestellt. In heißem Sand über Feuer werden die ganzen Körner geröstet, anschließend vom Sand gereinigt und dann gemahlen. Das feine Mehl wird mit salzigem Buttertee zu einem Teig geknetet (s.Abb.). Man kann auch Milch, Joghurt oder Chang, tibetisches Gerstenbier, dazu nehmen. Von diesem Teig wird nacheinander jeweils ein kleines Stückchen abgenommen, zu einer kleinen Kugel geformt und so verspeist. Eine weitere Form der Zubereitung von Tsampa ist zusammen mit Gemüse und Fleisch in einer Brühe. Süß kann Tsampa auch mit Honig oder gebranntem Zucker und mit Früchten garniert gegessen werden. Der Europäer wird darauf achten müssen steinfreies Tsampa zu geniessen, um sein Gebiss zu schonen. Ein Tsampa für Europäer ist bereits im Naturkosthandel erhältlich. Fragen Sie danach! (Mehr zu "Sonam's Tsampa" in der Schweiz und traditioneller Zubereitung nach tibetischen Rezepten unter www.tsampa.ch)

Gofio ist das traditionelle Getreidegericht der Kanarischen Inseln. Ursprünglich wurde dazu ausschließlich Gerste verwendet. Vergleichbar mit der Herstellung von Tsampa wird das ganze Gerstenkorn mit einem Gesteinsgrus in einer Pfanne geröstet bis die Körner eine goldbraune Farbe haben (s. Abb.). Der Gesteinsgrus sollte gröber als Sand und kleiner als die Getreidekörner sein, damit er sich nach dem Rösten wieder leicht entfernen lässt. Anschließend wird das geröstete Getreide vermahlen. Denkbar ist, dass in früheren Zeiten mit etwas Geschick die Spelzen der Spelzgersten beim Rösten bereits mit verbrannt wurden. Belege dafür sind aber nicht vorhanden. Geschmacklich wäre die spelzenfreie Gerste für dieses Verfahren zu bevorzugen. Leider lohnt sich der Gerstenanbau auf den Kanarischen Inseln heute nicht mehr.

Giotta heißt die zu Speisezwecken aufbereitete Gerste im schweizerischen Graubünden. In Wassermühlen mit Stampfen wurde die bereits spelzenfreie Gerste früher zunächst enthülst und vor der Verwendung zum Kochen eingeweicht. Auch Gerstengries, also ein gebrochenes Korn, kann verwendet werden, um die typische "Bündner Gerstensuppe" (s. Abb. und Rezepte) oder ein "Orsotto" daraus zuzubereiten. Im Graubünden findet man sie in fast jedem Gasthof.

Die Aufbereitung der Gerste über das Darren bzw. leichte Rösten des ganzen Kornes in einen Steinofen ohne Anquellen wird vom Bauckhof mit dem Kornfix praktiziert. Das Darren führt zu einem teilweisen Aufschluss der Stärke und zur Entwicklung einer leichten Süsse. Im Anschluss an das Darren wird das Korn zur Grütze gebrochen. Auf diese Weise entsteht ein Schnellkochgetreide. Für die Zubereitung wird die Gerste in der doppelten Menge Wasser 3 Minuten gekocht und anschließend 15 Minuten gequollen. Kornfix ist ideal als Beilage oder für Füllungen, Bratlinge, Aufläufe, Salate und zur Verwendung in Suppen (Mehr zur Verwendung unter Rezepte). Kornfix-Gerste auf der Haushaltsmühle vermahlen ergibt übrigens ein Mehl wie für Gofio oder Tsampa.

Unter den Namen Tau und Bulgur werden von ErdmannHauser Speisegerstenerzeugnisse angeboten, bei deren Herstellung die Körner zunächst zwischen 4 und 16 Stunden eingeweicht werden. Anschließend werden die Körner thermisch behandelt. Für diesen Ganzkornaufschluss sind spezielle Drehtrommelöfen entwickelt worden. Die auf diese Weise aufbereiteten Körner werden anschließend entspelzt und je nach Endprodukt gegrützt, gegrießt oder gemahlen. Jeder Packung ist auch genau zu entnehmen, bei welchem Bauern das Getreide gewachsen ist - ein besonderes Anliegen von ErdmannHauser.

Der Chroma-Test ist ein Verfahren der bildschaffenden Papierchromatographie, bei dem die zu untersuchende Lösung während des Testvorgangs ständig nachströmt. Dadurch kommt es nicht zu einer Auftrennung in Substanzbestandteile, wie sie in der Chromatographie sonst üblicherweise angestrebt wird. Bei dem hier zur Anwendung gebrachten Testverfahren wurde an die Ausführungen von PFEIFFER (1959)[Vorgeschichte] angeknüpft. Der Test musste verfahrenstechnisch zur Dokumentation von Sortenunterschieden bei Sommerspeisegerste abgewandelt werden.

Teile des bearbeiteten Speisegersten-Sortimentes waren bereits 1986 im österreichischen Loosdorf bei Laa an der Thaya angebaut worden. Das vollständige Sortiment spelzenfreidreschender Sommergersten konnte aber erst 1987 auf Hof Grub (Gruber) bei Gars am Inn mit 0,5m² je Probe angebaut werden. Aufgrund der vergleichenden Beobachtungen wurde für den Anbau 1988 auf Hof Grub eine Gruppierung der Linien nach Herkünften, morphologischen Gruppen und Reifezeiten vorgenommen.

Ein umfangreiches Sortiment wurde untersucht, um die Voraussetzungen für die Beurteilung der Rundbilder zu schaffen, und bei vielen Linien, die im morphologischen Erscheinungsbild übereinstimmten, fanden sich auch Übereinstimmungen im Rundbild. Es gab aber auch morphologische Gruppen, die im Sproßerscheinungsbild größte Übereinstimmung zeigten, jedoch deutlich voneinander abweichende Rundbilder. Die standortweise Ausprägung der Linien im Rundbild war ebenfalls graduell sehr verschieden. Es fanden sich Linien, bei denen über verschiedene Standorte hinweg typische Bildcharakteristiken aufrecht erhalten wurden, wie beispielsweise PI350723 (linke Spalte der folgenden Abbildung), aber auch solche, bei denen die Rundbildausprägungen standortweise deutlich voneinander abwichen.

Extrem verschiedene Standortbedingungen führten auch zu charakteristisch unterschiedlichen Rundbildern. Proben, die bereits 1986 im niederösterreichischen Loosdorf bei Laa a.d.Thaya angebaut worden waren, reiften dort unter so trockenen Bedingungen ab, dass von einer Notreife gesprochen werden konnte. Die Rundbilder von Körnern dieses Standortes wiesen durchgängig gut konturierte Zapfenbildungen auf (Abbildung oben, oberste Zeile). Im Gegensatz dazu führten Proben der gleichen Linien aus der Ernte von Grub 1987 (2. Zeile von oben) zu Rundbildern, die von verblassenden, aufgelösten Zapfenformen mit einem grauen Farbeinschlag geprägt waren. Auf Hof Grub war 1987 nahezu die gesamte Reifezeit von einer außergewöhnlich feuchten Witterung begleitet, die wie bei der Linie 'Hiproly' (6.Spalte) zu sichtbarem Auswuchs führte. Im Vergleich mit den anderen Linien zeigte auch 'Stina' (4.Spalte) ähnlich verblassende Zapfenformen wie 'Hiproly'. Ganz im Gegensatz dazu fanden sich im Rundbild der Linie PI350723 (1.Spalte) an allen vier Standorten fein ziselierte bis deutlich konturierte, rötliche Zapfenformen. Dennoch fand sich keine eindeutige Beziehung von charakteristischen Rundbildern zur mittels Fallzahl und Verkleisterungstemperatur im Amylogramm bestimmten Enzymaktivität, die zur Beurteilung von Auswuchs herangezogen wird. Ebenso wenig eindeutig waren die Beziehungen zum Rohproteingehalt.

Die Entwicklungsreihen der Samenzustandsformen von 25 sehr verschiedenen Gerstenlinien wiesen neben der standörtlich, witterungsbedingten Differenzierung einen weiteren Weg zur Interpretation der Rundbildcharakteristiken (folgende Abbildung zeigt eine das Spektrum repräsentierende Auswahl). Die in Tangsehl 1989 schon in der Teigreife geernteten und an der Luft getrockneten Pflanzen zeigten im Samenuntersuchungsbild mehr oder weniger deutlich ausgeprägte und fein ziselierte Zapfenformen (nächste Abb. linke Spalte); ganz ähnlich zu den Rundbildern der Ernte Loosdorf 1986 (nächste Abb. oberste Zeile). Über die Gelbreife bis zum üblicherweise in der Totreife stattfindenden Drusch veränderte sich die Rundbildcharakteristik sortenspezifisch (Spalten von links nach rechts).

Nach Ankeimen der Samen in einer Keimschale und Abbruch der Keimung durch Rücktrocknen an der Luft mittels flachen Ausbreitens auf Papier in einem beheizten Raum fanden sich wieder einander ähnlicher werdende Rundbilder (rechte Spalte), in denen die Zapfenformen nahezu verblasst waren.
Demzufolge veränderte sich die Samensubstanz über die untersuchten Entwicklungszustände während der Reifung und Keimung sorten- und standortspezifisch mit unterschiedlicher Dynamik. Die beiden Gerstenlinien in den oberen Zeilen bewahrten den für die Teig- und Gelbreife typischen, ausgeprägt zapfenartigen, rötlichen Bildcharakter bis in die Keimung hinein (obere Zeilen), andere wie beispielsweise 'Stina' zeigten bereits keimungstypische Bilder, lange bevor überhaupt die Erntereife erreicht wurde (untere Zeile). Diese mit Hilfe der Begriffe des Reifens und Keimens zu charakterisierenden Bilder warfen die Frage nach einer Beziehung zu den Substanzgruppen auf, die sich über diesen Entwicklungsverlauf hinweg verändern.

Unter dem Einfluss der Natronlauge werden Enzyme und möglicherweise auch Speicherproteine zur Bildung von Komplexen angeregt (HAIS & MACEK 1963), die zu substanzcharakteristischen Farb- und Formgebungen im Rundbild führen. Zur Eingrenzung der bildgestaltenden Substanzgruppen wurden verschiedenste Stoffe in gleicher Weise untersucht. Mit Stärke, Zuckern und Aminosäuren konnten keinerlei Formgebungen erzielt werden, wohl aber mit ß- und alpha-Amylase (siehe nebenstehende Abbildung). Bei Verwendung von ß-Amylase traten tief eingeschnittene, deutlich ausgeprägte, rötliche Zapfenformen auf, die auch für in den Reifestadien befindliche Samen charakteristisch sind. Bei Verwendung von alpha-Amylase war dagegen ein grauer Zwischenring feststellbar und verblasste, kurze Zapfenformen mit einem grauen Farbschleier, der auch das sonst helle Bildinnere abdämpfte. Andere Getreideenzyme der Gerste konnten mangels Verfügbarkeit nicht untersucht werden, doch könnten außer den amylolytisch wirkenden Enzymen durchaus weitere hochmolekulare Proteine an der Rundbildgestaltung beteiligt sein.

Es ist bekannt, dass von der Kornbildung über die Reifung bis zur Keimung umfangreiche Veränderungen im Enzymhaushalt eines Getreidekornes stattfinden. Im Verlauf des Kornwachstums nimmt die Konzentration der alpha-Amylase ab (ROHRLICH 1969), sofern sie überhaupt nachweisbar ist (NARZISS 1976). Auch die Lipase- und Proteaseaktivität sinkt kontinuierlich ab (ROHRLICH 1969). Die ß-Amylase liegt im Endosperm des Gerstenkorns sowohl in einer gebundenen Form vor, die erst nach dem proteolytischen Abbau der die Stärke umhüllenden Eiweiße aktiv wird, als auch in einer auf die Aleuronschicht hin zunehmend konzentrierten aktiven Form. In Abhängigkeit vom Eiweißgehalt und der Sorte unterliegt die Menge der ß-Amylase in der ungekeimten Gerste je nach den Bedingungen des Anbauortes und des Jahrgangs starken Schwankungen (NARZISS 1976). Die alpha-Amylase wird erst mit einsetzenden Keimungsprozessen von der Aleuronschicht ausgehend wieder neu gebildet. Die Vegetationszeit der Gerste und die dabei herrschenden Witterungsbedingungen sollen sich dergestalt auswirken, dass Gersten aus einer langen, kühlen Wachstumsperiode mehr alpha-Amylase entwickeln als solche aus einer kurzen, heißen und trockenen (NARZISS 1976). Auch die Lipase- und insbesondere die Proteaseaktivität steigen im keimenden Korn wieder an (ROHRLICH 1969) und beispielsweise auch die der Saccharase, die im Mehlkörper des ungekeimten Kornes noch nicht vorliegt (NARZISS 1976). Diese Zusammenhänge könnten darauf hinweisen, dass mit dem Chroma-Test die Mengenverhältnisse, in denen sich die bildgestaltenden Enzyme zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Lebensvorgänge gerade befinden, als ein Ganzes bildhaft erfasst werden. Bei Bestätigung dieser Methode könnte der Chroma-Test in der Gerstenzüchtung dahingehend genutzt werden, solche Sorten zu bevorzugen, bei denen mit Rücksicht auf den Anbauort zum Zeitpunkt der Ernte ein für den Zustand der Erntereife bei Gerste charakteristisches Verhältnis der Substanzen zueinander erreicht ist (Quellennachweise).

Ein besonderer Dank gilt der Mahle-Stiftung/Stuttgart und der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, mit deren Unterstützung die zugrundeliegenden Arbeiten durchgeführt werden konnten.

Zuletzt aktualisiert : 27.04.2006

In den Jahren 1850 und 1855 veröffentlichte Friedlieb Ferdinand Runge (1795-1867), deutscher Chemiker, Entdecker des Anilins und Wegbereiter der Teerfarbenchemie, die Sammlungen "Musterbilder" und "Bildungstrieb der Stoffe". Er hatte Farblösungen auf einen Punkt eines Filterpapiers auftropfen lassen und daraufhin die Bildung regelmäßiger, von diesem Punkt ausgehender Figuren und Farben beobachtet. Wiederholte er diesen Vorgang mit der gleichen Substanz, so entstand das gleiche Ergebnis. Seine Versuchsbilder werden als die Vorläufer der Rundfilterpapierchromatographie angesehen (HAIS und MACEK 1963).

Christian Friedrich Schoenbein (1799-1868), Entdecker des Ozons, beobachtete, dass beim Eintauchen von Papier in eine Lösung aus Jodid und Stärke diese nicht die gleiche Steighöhe erreichten wie das Lösungswasser. Nachdem er diese Ergebnisse 1861 vorgetragen hatte, entwickelte Friedrich Goppelsröder (1836-1919) daraus die Kapillaranalyse und arbeitete 50 Jahre lang in dieser Richtung. In der offiziellen chemischen Wissenschaft entstand jedoch lange kein Vertrauen zu der Methode (HAIS und MACEK 1963).

Erst Michail S. Tswett (1872-1919) gilt allgemein als Begründer der Chromatographie und zwar deswegen, weil er das Prinzip der Erscheinungen in einer Weise erkannte, die es ihm ermöglichte, mit der Säulenadsorptionschromatographie zu einer präparativen und analytischen Methode zu gelangen. Ausgegangen war er von Erwägungen über die adsorptive Bindung pflanzlicher Farbstoffe an Eiweiß, und es war ihm gelungen, Chlorophyll mit Hilfe der chromatographischen Methode in seine Bestandteile zu zerlegen. Damit hatte er der Biochemie ein sehr feines Instrument für Trennungen äußerst komplizierter Stoffgemische gegeben (HAIS und MACEK 1963).

Bei der in der vorliegenden Arbeit zum Einsatz gebrachten Methode geht es aber nicht in erster Linie um die Trennung und Bestimmung von Komponenten einer Lösung, sondern um die Charakterisierung der substanziellen Beschaffenheit aufgrund von Prozessen, Umwelten oder pflanzlichen Entwicklungszuständen, aus denen die Substanzen entnommen sind. Die Anregung, das Verfahren in dieser Weise zu nutzen, geht auf Rudolf Steiner (1861-1925), den Begründer der Anthroposophie, zurück. Er hatte 1923 Lili Kolisko dazu aufgefordert, ganz nach der Methode Runges Pflanzensäfte auf Filterpapier auftropfen zu lassen, und die dabei sich bildenden Gestaltungen zu beobachten. Als dies zunächst keine Resultate brachte, regte er des weiteren an, ein Salz zu Hilfe zu nehmen. Lili Kolisko entwickelte dieses Verfahren dann in Verbindung mit einem zur Homogenitätsprüfung für die Herstellung von potenzierten Heilmitteln erstellten Steighöhentest zur Steigbildmethode weiter (KOLISKO 1934; KRÜGER 1969).

Ehrenfried Pfeiffer (1899-1961) griff die Anregung Rudolf Steiners wieder auf und entwickelte daraus in den 50er Jahren den Rundfilter-Chromatogramm-Test, um biologische Werte zu erkennen, sichtbar zu machen und eine rasche Orientierung über den qualitativen Zustand, insbesondere von Erden und Komposten, zu ermöglichen. Der Test entspricht verfahrenstechnisch im Prinzip der "Frontalanalyse" nach Runge (HAIS und MACEK 1963).

Nach PFEIFFER (1959) "muss man, um die Interpretation der Chromatogramme zu lernen, zunächst Vergleichsbilder von bekannten, genau definierbaren Substanzen oder Präparaten herstellen, sogenannte Standards, um damit die gefundenen unbekannten Bilder zu vergleichen". Zunächst untersuchte Pfeiffer auf diese Weise Bodenproben und Komposte, doch dehnte er die Untersuchungen bald auf Samen, Mehle, Hefen und deren Produkte aus (PFEIFFER 1959 und 1960). Zur Untersuchung von Speisegersten musste das Verfahren teilweise abgewandelt und weiter spezifiziert werden.

Quellennachweis:
HAIS,L.M.;MACEK,K.(1963): Handbuch der Papierchromatographie. Band 1, Grundlagen und Technik.
KOLISKO,L.(1934-1936): Mitteilungen des Biologischen Institutes am Goetheanum Nr.1-5, Dornach/Schweiz.
KRÜGER,H.(1969): Zum Historischen der Kristallisations und der kapillardynamischen Methoden. Nachschrift nach einem Referat von Hans Krüger auf der Tagung "Bildschaffende Methoden" der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum 2.-4.Mai 1969, Dornach/Schweiz.
NARZISS,L.(1976): Die Technologie der Malzbereitung. 6.Auflage, Stuttgart:Enke.
PFEIFFER,E.(1959): Eine qualitativ chromatographische Methode zur Bestimmung biologischer Werte. Zeitschrift Lebendige Erde, 205-215 (Teil I), 241-249 (Teil II).
PFEIFFER,E.(1960): Chromatographische Untersuchungen an Samen, Mehlen, Hefen und deren Produkten. Zeitschrift Lebendige Erde, 204-206.
ROHRLICH,M.(1969): Getreideenzyme. Berlin: Parey.

Zuletzt aktualisiert : 27.04.2006

Für die Anfertigung von Rundbildern aus Getreide werden die Samenproben am Untersuchungstag mit einer im Vermahlungsgrad einstellbaren und leicht zu reinigenden Handgetreidemühle 1-2 Stunden vor dem Aufschluss fein vermahlen. Es werden bei Hafer 1,0g, bei Gerste 2,0g und bei Weizen 3,0g vom Mahlprodukt in einen 50ml-Erlenmeyerkolben eingewogen, mit 25ml einer 0,02%igen Natronlauge versetzt und gut geschüttelt. 15 Minuten später wird die Suspension wiederholt durchgeschüttelt. Nach weiteren 45 Minuten wird die Suspension noch einmal geschwenkt, ohne dass der Bodensatz dabei aufgewirbelt wird. Bis zum Einbringen in die vorbehandelten Rundfilterpapiere sollte die Suspension weitere 3 Stunden bei Raumtemperatur (18-20°C) abstehen.

In der Zwischenzeit können Rundfilterpapiere (Whatman-Qualitative-Filter-Paper No.4, 15cm Durchmesser) und Dochte vorbereitet werden. Mit einem Dorn wird in die Mitte der Rundpapiere ein Loch von 2mm Durchmesser geschlagen (s. nächste Abb. oben links). Auf jedem Rundpapier werden sodann im Abstand von 3,5 und 6 cm vom Mittelpunkt mit einer vorgelochten Schablone zwei Bleistiftmarkierungen angebracht, zwei weitere im rechten Winkel dazu (s. nächste Abb. oben rechts).

Aus einigen Rundpapieren der gleichen Sorte werden Papierstreifen von ca. 15x15mm geschnitten und zu Dochten aufgerollt (s. Abb. mittig). Unmittelbar nach dem letzten Schwenken der Suspension werden die Rundfilterpapiere mit einer 0,5%igen Silbernitratlösung vorbehandelt. Dazu werden sie mit einem Docht versehen und zwischen Deckel und Boden einer Gewebeschale eingespannt, so dass die Silbernitratlösung über den Docht in das Rundpapier steigen kann. Die Silbernitratlösung soll sich bis auf einen Durchmesser von 8cm ausbreiten. Nach Entfernen des Dochtes wird das vorbehandelte, feuchte Rundfilterpapier zwischen zwei trockenen Schreibpapierbögen zwischengelagert. Unter den untersten Papierbogen und über den obersten wird ein feuchtes, ausgewrungenes, saugfähiges Tuch gelegt.

Vier Stunden nach dem letzten Schwenken der Suspension wird die Lösung ohne den Bodensatz in einen 50ml-Erlenmeyerkolben dekantiert und dieser noch einmal mit der Lösung geschwenkt. Die Lösung wird in ein Schälchen überführt, das in einer Gewebeschale steht, und über einen neuen Docht in das vorbehandelte Rundfilterpapier bis zu einer Ausbreitung auf 12cm Durchmesser gebracht (s. letzte Abb. unten). Dann wird das Rundpapier abgenommen und nach Entfernen des Dochtes zum Trocknen aufgehängt. Bis zum vollständigen Sichtbarwerden des Rundbildes unter Lichteinwirkung können einige Tage vergehen. Mit kurzwelligem Licht (250nm) kann die Entwicklung beschleunigt werden. Langwelliges Licht (auch direktes Sonnenlicht !) führt zu einer vorzeitigen Verbräunung.

Um Artefakte aussondern zu können, werden von jeder Probe parallel mindestens zwei Rundbilder angefertigt und über längere Versuchszeiträume mindestens eine einheitliche Probe bei jeder Versuchsserie als Vergleichsstandard mit untersucht.

Ausführlichere Darstellungen zum Verfahren und zu den Schwankungsbreiten finden sich in:
MÜLLER,K.J.(1998): Erweiternde Kriterien für die Züchtung von Sommerspeisegerste im Organischen Landbau. [Dissertation, Institut für Organischen Landbau, Bonn] Berlin: Köster, ISBN 3-89574-303-8.

Zuletzt aktualisiert : 27.04.2006

Findet eine Gerste nicht die ihrer jeweils besonderen Eigenart gemäße Umgebung, dann entwickeln sich auf einer solcherweise geschwächten Pflanze die zu der jeweiligen Situation passenden Pilze. Einige Pilze sind im Laufe der Jahrtausende mit der Gerste eine innige Verbindung eingegangen und können ohne die Gerste nicht existieren. Wenn sie auftreten, binden sie das, was fehl am Platze ist, wieder in den Kreis des Lebens ein. Je wüchsiger die Anbaubedingungen gestaltet sind, desto bedeutender werden die Krankheiten. Im ökologischen Landbau wird die Wüchsigkeit zwar durch die Beschränkung auf innerbetrieblich erzeugte organische Dünger oder den Anbau luftstickstoffbindender Leguminosen in der Fruchtfolge natürlich begrenzt, aber insbesondere auf den begünstigten Standorten bedarf es schon einer besonderen Anpassung der Sorte an die Gegebenheiten, um ein gesundes Wachstum zu gewährleisten. Auch unter diesem Blickwinkel bedarf es einer Vielfalt an Sorten und einer regional ausgerichteten Sortenentwicklung.

Im Vegetationsverlauf der Gerste können abhängig von den Eignung einer Sorte für die jeweiligen Gegebenheiten in allen Abschnitten Pilzkrankheiten auftreten. Für den ökologischen Anbau von besonderem Interesse sind die samenbürtigen Krankheiten, wie Flugbrand, Hartbrand und Streifenkrankheit, deren Auftreten im konventionellen Anbau durch die Behandlung mit chemisch-synthetischen Saatgutbeizmitteln über viele Jahrzehnte unterdrückt wurde. Der ökologische Landbau ist ganz besonders darauf angewiesen, über Sorten zu verfügen, die zu Standort- und Anbaubedingungen passen. Wer in den Krankheiten zu lesen vermag, der kann aber auch viel von einer Krankheit lernen, um Maßnahmen und Sorte von vornherein besser aufeinander abzustimmen. Zum Einstieg hier eine kleine Übersicht, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Beim Flugbrand (Ustilago nuda; s. Abb links) geht die Infektion von den zu einem Brandsporenlager umgebildeten Ähren aus. Die Sporen werden auf Narben und Fruchtknoten einer gesunden Blüte geweht und keimen bei 18-20°C und einer hohen relativen Luftfeuchte von 96-98% aus. Vom Fruchtknoten wachsen die Pilzhyphen in den Embryo und bilden dort dickwandige Dauerhyphen. Zusammen mit dem infizierten Korn wächst das Mycel unmittelbar hinter dem Vegetationspunkt her in Halme, Blätter und Ährenanlage. In sehr trockenen Regionen mit geringer Luftfeuchtigkeit wird Flugbrand nur selten gefunden. Insbesondere für die ökologische Saatguterzeugung hat diese Krankheit eine große Bedeutung, da bereits bei einem sehr geringer Befall kein Saatgut mehr abgegeben werden darf. Sofern sich der Befall in Grenzen hält, kann Sommergerste bei innerbetrieblicher Saatgutverwendung möglichst früh gesät werden, so dass die Keimung bei kühleren Temperaturen stattfinden kann, die dem Wachstum des Flugbrandes abträglich sind. Zum Verschwinden bringen kann man ihn damit aber nicht.

Mehr zum Flugbrand!

Beim Hartbrand (Ustilago hordei, s. Abb.rechts) sind die Brandsporenlager, die sich anstelle der Körner bilden, lange von einem feinen Häutchen umgeben und sehr hart. Anders als beim Flugbrand erscheinen die befallenen Ähren später und bleiben kürzer, so dass sie schlechter gesehen werden. Erst mit dem Mähdrusch werden sie zerstäubt und die Brandsporen gelangen dann auf die Oberfläche der gesunden Samen, mit denen sie nach der Aussaat keimen. Mit dem Erscheinen des Keimblattes wird die Gerste dann infiziert. Temperaturen von 10-20°C sind der Infektion günstig. Bei sehr früher Saat im Frühjahr bleibt auch hier der Befall niedriger.

Mehr zum Hartbrand!

Bei der Streifenkrankheit (Drechslera graminea; s. Abb links) werden Pilzsporen, die sich auf den Blättern kranker Pflanzen bilden, in die Blüten der gesunden Gersten geweht. Dort wachsen sie unter die äußere Samenhaut. Mit dem Samen gelangen sie als Mycel in den Boden und keimen mit der Gerste. In der befallenen Gersten breitet sich der Pilz auf den Leitungsbahnen aus und schädigt die Pflanze mehr oder weniger stark bis zum Absteben. Ungünstige Witterung, insbesondere längere feucht-kalte Verhältnisse während der Keimung erhöhen die Anfälligkeit der Gerste. In den nördlichen Ländern Europas kommt die Streifenkrankheit fast überall vor, in den südlicheren nur im Wintergerstenanbau. Sorten, die für diese Krankheit unempfindlich sind, gibt es in all diesen Regionen. Eine ökologische Züchtung muss ihnen mehr Aufmerksamkeit entgegen bringen. Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen samenbürtigen Krankheiten empfiehlt sich bei gering befallenem Saatgut eine eher spätere Frühjahrsaussaat unter wärmeren Bedingungen, so dass die Gerste dem Pilz auf und davon wachsen kann.

Mehr zur Streifenkrankheit!

Bei der Netzfleckenkrankheit (Drechslera teres, s. Abb. links) bilden sich längliche Netzmuster auf den Blättern. Unter feucht-kalten Bedingungen mit hoher Lichtintensität und regelmäßig wiederkehrender Blattnässe kann die Gerste für diese Krankheit anfällig werden. Junges, weiches Blattgewebe, das auch für kühlere Temperaturen empfindlicher ist, wird leichter vom Pilz erfasst. Triebige Düngung bildet eine nicht zu unterschätzende Voraussetzung für die Infektion. Diese Krankheit kann über das Saatgut, aber auch über infiziertes Stroh in den nächsten Anbau übertragen werden. Dann kann sich der Pilz unter für die Gerste ungünstigen Bedingungen im ganzen Bestand ausbreiten. Der Saatgutbefall kann mit einer Behandlung mit 70%igem Alkohol oder eine Warmwasserbeize saniert werden.

Bei der Blattfleckenkrankheit (Rhynchosporium secalis, s.Abb.rechts) werden die durch niedrige Temperaturen im Stoffwechsel gestörten Blätter, insbesondere wenn bereits eine irreversible Schädigung feinster Zellmembrane nach Frosteinwirkung vorliegt, von den besonders weichen Blattachseln ausgehend geradezu verzehrt. Kühle Witterung mit einer hohen Luftfeuchtigkeit über einen längeren Zeitraum begünstigt das Auftreten der Blattflecken. Gersten mit einem dichteren Zellsaft, festeren Blättern und ausgeprägter Frosthärte sind weniger anfällig. Unter ökologischen Anbaubedingungen ist die Wintergerste eher gefährdet, wenn zum Schossen im Frühjahr Spätfröste auftreten.

Der Mehltau (Blumeria graminis, s. Abb. links) findet ideale Entfaltungsbedingungen bei relativer Trockenheit im Boden und zugleich hoher Luftfeuchtigkeit auf zur Welke neigenden Gerstenpflanzen an warmen Tagen. Dies ist im Sommer nach geringen Niederschlägen auf einem trockenen Boden der Fall. Auch in sehr dichten, üppigen Pflanzenbeständen können diese Bedingungen auftreten. Heiße Sommertage mit geringer Luftfeuchtigkeit bieten diesem Pilz keine Entwicklungsmöglichkeiten. Unter krankheitsfördernden Bedingungen können nur solche Gersten dem Mehltau widerstehen, die eine ausgeprägte Durchwurzelung mit verminderter Transpiration verbinden können und auf diese Weise eine innerlich von Formkraft durchdrungene Konsistenz bewahren. In lichteren Pflanzenbeständen hat es der Mehltau schwerer.

Auch der Braunrost (Puccinia hordei, s.Abb.rechts) benötigt eine zeitweise sehr hohe Luftfeuchtigkeit, um auf den Blättern orangebraune Rostpusteln hervorzurufen. Konnte die Gerste bis in spätere Entwicklungsabschnitte hinein ihr Eigenleben bewahren, dann aber nicht rechtzeitig in eine sukzessive Reife übergehen, so dass nun die Blätter vor Blattgrün noch geradezu strotzen, findet sich Braunrost ein. Dabei muss eine warme Witterung vorherrschen. Heiße Sommertage mag dieser Pilz allerdings nicht. In warmen Jahren ist die Gerste entsprechend stärker gefährdet. Bei einem langsamen stetigen Rückzug des Lebens aus dem Blatt im Verlauf der Reife vom Beginn der Samenbildung an bieten sich kaum Entfaltungsmöglichkeiten für diesen Pilz.

Aus ökologischer Sicht stellt sich angesichts der verschiedenen Erkrankungsmöglichkeiten die züchterische Grundfrage, wie die Konstitution des pflanzlichen Organismus veranlagt werden muss, um unter den standortspezifischen Gegebenheiten eine den Verhältnissen angepasste Entwicklung vollziehen zu können, die dem gerstenverzehrenden Leben keine Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die meisten Krankheitserreger gerstenspezifisch sind und an anderen Organismen nicht überleben können. In gewisser Weise gehören sie also zum erweiterten Gerstenorganismus dazu und stellen eine besondere Ausprägungsstufe desselben dar, die korrigierend auf die Entwicklung der Gerste zurückwirkt. Nicht ihre Vernichtung, sondern ihre Integration und ein verständnisvoller Umgang mit ihnen durch angemessene züchterische und pflanzenbauliche Handhabung der Gerste sind anzustreben, um einen gesunden Pflanzenbestand zur Reife zu führen und hochwertige Lebensmittel zu erzeugen. Zuletzt aktualisiert : 27.04.2006

Bündner Gerstensuppe

von Roger Christen

Zutaten für 4 Personen (wenn nicht mehr als ein Teller pro Person verzehrt wird !):

  • 50g Gerste (Graupen, Bulgur- oder Kornfix-Gerste),
  • 20g Butter,
  • 40g Zwiebeln,
  • 60g Karotten,
  • 50g Lauch,
  • 40g Sellerie,
  • 30g weisse Bohnen,
  • 20g luftgetrockneter Rohschinken,
  • 20g Bündner Fleisch,
  • 1 Liter Bouillon,
  • 80ml Vollrahm,
  • 4g Petersilie.

Vorbereitung: Bohnen 5 Stunden in kaltem Wasser einweichen, Zwiebeln schälen und fein hacken, Gemüse in kleine Würfelchen schneiden, Rohschinken und Bündner Fleisch ebenfalls klein schneiden, Petersilie waschen, zupfen und fein hacken.

Zubereitung: Gemüse in Butter andünsten, Gerste und abgetropfte Bohnen zufügen und mit dünsten, Bündner Fleisch und Rohschinken beifügen, mit heisser Bouillon auffüllen, würzen, sieden, bis die Gerste und die Bohnen weich sind, abschmecken und mit Rahm verfeinern, mit Petersilie bestreuen.

Varianten: statt Bouillon kann auch Schinken- oder Kalbsfond verwendet werden und ausserhalb Graubündens statt Bündner Fleisch auch Rauchfleisch, Rippchen oder Schinkenspeck. 

Orsotto mit grünem Spargel

von Roger Christen

Zutaten für 4 Personen:

  • 300g Rollgerste (oder Bruchgerste oder Kornfix),
  • 40g Zwiebeln,
  • 20g Butter,
  • 15g Kräuterbutter,
  • 800 ml Geflügelfond,
  • 2 Lorbeerblätter,
  • 6g Petersilie,
  • 40 ml Vollrahm,
  • 100g grüner Spargel,
  • 60g Alpkäse.

Vorbereitung: Zwiebeln schälen und in kleine Würfel schneiden, Spargel schälen, kochen oder dampfen und in 2cm lange Stücke schneiden, Petersilie waschen, zupfen und grob hacken.

Zubereitung: Zwiebel in Butter dünsten, Gerste beifügen und kurz darin wenden, mit Geflügelfonds auffüllen, Lorbeer zufügen und aufkochen, zugedeckt bei kleinster Hitze etwa 20 Minuten ziehen lassen (die Gerste soll weich, aber noch körnig sein), Spargel, Rahm, Kräuterbutter und Petersilie beifügen, kurz erhitzen und abschmecken, Reibkäse separat dazu servieren.

Gerstensuppe deftig kräftig

Zutaten für 4 Personen:

  • 70-80g Kornfix-Gerste,
  • 70 g kleine weiße getrocknete Bohnen,
  • 400 g geräucherte Rippchen,
  • 2 Karotten, ½ Sellerieknolle,
  • 1 Zwiebel,
  • 3 Knoblauchzehen,
  • 2 Lorbeerblättern,
  • 1 El Majoran,
  • 1 kleiner Bund Liebstöckel,
  • 1Tl Wachholderbeeren,
  • 1 Schuss Essig,
  • Salz,
  • Pfeffer

Zubereitung (in ca.2 Std., die sich wirklich lohnen):
Bohnen über Nacht in reichlich Wasser einweichen.
Zwiebel schälen und in große Würfel schneiden, Knoblauch schälen und in dünne Scheiben schneiden. Gemüse schälen und in kleine Würfel schneiden
In einem großen Topf ca. 2 Liter Wasser, geräucherte Rippchen, Zwiebeln, Knoblauch, Lorbeerblätter, Wacholderbeeren dazugeben und ca. 20 Minuten kochen. Bohnen abgießen und hinzufügen. Alles etwa 45 Minuten kochen lassen. Kornfix-Gerste mit dem Gemüse und dem Majoran zugeben und alles weich kochen lassen. Fleisch herausnehmen etwas abkühlen lassen, klein schneiden und wieder in die Suppe geben. Die Suppe mit Salz, Pfeffer, gehacktem Liebstöckel und einem Schuss Essig kräftig abschmecken.

Gersten-Ring (vegetarisch)

350g Nacktgerste auf Haushaltsmühle schroten, mit 1 Teelöffel Curry ca. 5-10 Minuten unter Rühren in einem Topf rösten. 600ml Wasser und Brühwürfel zufügen, kurz aufkochen und 20 Minuten quellen lassen. Eine Ringform/Kranzform mit Butter ausstreichen und mit Sesam ausstreuen. 2 gewürfelte Zwiebel, 30g Butter, 3 Eigelb und 100g geriebenen Käse unter die Getreidemasse mischen, mit Muskat abschmecken. Eiweiß steif schlagen und unterheben. Im Backofen bei 200°C ca. 45 Minuten backen, etwas abkühlen lassen, stürzen, servieren. Dazu etwas gedünstetes Lauchgemüse oder Möhren mit einer weißen Soße und ein Blattsalat.

Gerste mit Backpflaumen als Beilage zu (kaltem) Braten

Zubereitung für 2 Personen:

100 g Backpflaumen einweichen, 1 Tasse Kornfix-Gerste mit 1 1/2 Tasse Wasser kurz aufkochen und 15 Minuten quellen lassen,etwas Butter und Salz hinzufügen. Backpflaumen mit - je nach gewünschter Konsistenz- mehr oder weniger Einweichwasser und Zucker dazugeben, umrühren und 10 Minuten köcheln. Warm oder kalt zum Braten servieren.

Gofio-Klösse in Gemüsesuppe oder -brühe

Zubereitung für 2 Personen: 70g Kornfix-Gerste auf der Haushaltsmühle mahlen. Mehl mit dem gleichen Volumen Wasser und einer Prise Salz anrühren und 10 Minuten quellen lassen. Aus dem Teig kleine Klöße formen (Durchmesser 3-4 cm) und zu der kochenden Suppe oder Brühe dazugeben und noch 10 Minuten mit kochen.

Tsampa mit Pflaumenmus (einfach so oder als Nachspeise)

Zubereitung für 2 Personen: 100g Kornfix-Gerste auf der Haushaltsmühle mahlen. Mehl mit dem gleichen Volumen Wasser und einer Prise Salz anrühren und 10 Minuten quellen lassen. Aus dem Teig kleine Klöße formen (Durchmesser 3-4 cm) und in köchelndem Wasser 10 Minuten garen. Aus dem Wasser herausheben und warm mit Pflaumenmus und Butter servieren. Alternativ kann man auch etwas Pflaumenmuss vor dem Köcheln gleich in die Mitte der Klöße hineingeben.

Süße Orangen-Nachspeise mit Kornfix-Gerste

Zutaten für 4 Personen:

  • 300 ml Milch,
  • 100 g Kornfix-Gerste,
  • 1 Stange Zimt,
  • 2 Eßl. Zucker oder Honig,
  • 3 ungespritzte Orangen,
  • 200 ml Sahne (wer es etwas weniger gehaltvoll mag, ersetzt die Sahne teilweise oder komplett durch Joghurt natur), etwas Zimt.

Zubereitung (in 20 Min.): Vollmilch mit einer Stange Zimt aufkochen. Kornfix-Gerste einrühren, Herdplatte ausstellen (bei Gasherd auf die aller kleinste Stufe stellen) und mit geschlossenem Deckel 15-20 Minuten quellen lassen. Getreide abkühlen lassen.
Orangenschale einer Orange dünn abschälen (möglichst nur das Orange der Schale) und die Schale in ganz dünne Streifen schneiden. Alle Orangen filieren und den Saft auffangen. Sahne schlagen.
Orangenschalenstreifen (einige Streifen zum dekorieren zurücklassen), Orangenfilets, Zucker (Honig) mit der gekochte Gerste mischen und geschlagene Sahne unterheben.
Nachtisch auf Schüsselchen verteilen und mit Orangenschalen und Zimt dekorieren.

Gersten-TAU-Creme

0,4 l Milch zum Kochen bringen und 40g TAU-Gerste einrühren. 10 Min. köcheln und dann abkühlen lassen. 250g Quark, 2 Teelöffel Honig, Saft von 1 Zitrone mit einer Prise Salz, Vanille, Piment vermischen und die Masse zu der abgekühlten Gersten-TAU-Milch geben. Mit gemahlenen Nüssen garnieren.

Gerstengetränk (Barley Water)

100g Nacktgerste, ganze Körner, für ca. 5 Stunden in 2 Liter Wasser einweichen. Eine mitsamt Schale feingeschnittenen Zitrone dazugeben und zwei Stunden köcheln. Zum Süssen können zwei Datteln oder Feigen mitgekocht werden. Die Flüssigkeit abgießen und etwas auskühlen lassen, dann entweder mit Honig und einer Prise Salz, Orangen-, Zitronen-, Himbeer-, Holunderblüten-, Birnen- oder Apfelsaft abschmecken (ca. 1/2 Liter), heiss oder kalt trinken. Die weichgekochte Gerste lässt sich als Salat anrichten.

Weitere Rezepte mit Tsampa-Gerste

Ein Dank gebührt Franjo Jansen für die Gofio-Fotos, Peer Schilperoord und Roger Christen für Orsotto und unseren Förderern für die freundliche Unterstützung.